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Zynische Ansichten eines Zeitkritikers

Ein Kabarett-Abend, der es in sich hatte

VAlHINGEN (wes) – Annähernd drei Stunden anspruchsvolles Kabarett voller saftiger Satire, galligem schwarzem Humor und, gespickt mit teuflisch, zündenden Pointen, das vollführte am Donnerstagabend in der Peterskirche ein einziger Mann auf dem Podium. Uli Masuth aus dem Ruhrpott forderte von den Besuchern der Veranstaltung im Rahmen der „Vaihinger Kulturmomente“ des Kulturamts ein Höchstmaß an Konzentration, Offenheit und Durchhaltewillen.

Seinem Programm gab er den Titel „Glaube, Hoffnung, Triebe“ und schon allein- damit offenbarte der Kabarettist, Komponist und im übrigen Leben auch als Kirchenmusiker tätige Uli Masuth einen kräftigen Schuss, provozierenden Gedankenguts. Daran ließ er es denn auch im Lauf des langen Abends nur selten missen. „Es geht nach oben“, verkündete er gleich zu Beginn seiner unaufhörlich sprudelnden Rede, die oft in rasendem Tempo gehalten wurde, so dass die gelegentlich knarrende Übertragungsanlage, die in der Peterskirche eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre, den Wortschwall kaum noch verständlich wiedergeben konnte.
Aufwärts gehe es mit der Mehrwertsteuer, dem Rentenalter oder den Krankenkassenbeiträgen, reduzierte er die ursprünglich positiv klingende Botschaft sogleich wieder auf ihren realen Inhalt. Es folgten Themen wie Klimawandel, der sich unter anderem im Aussterben des Schneemannes nachdrücklich dokumentiere, und dem Rauchverbot, mit dem einmal mehr bewiesen werde, dass den Deutschen mittels Gesetzen immer klipp und klar gesagt werden müsse, wo es lang gehe.

Auch die Manager der deutschen Wirtschaft bekamen ordentlich ihr Fett ab. „Der Aufschwung ist da, fragt sich nur für wen?“, sinnierte Uli Masuth und gab gleich die verblüffend treffende Antwort: vor allem für die Manager. Sie handelten nach dem Motto „Gier ist gut!“ Und erhöhten sich die Bezüge um eben mal 50 Prozent oder sorgten für eine honorige Abfindungen auch im Falle des Missmanagements. Die Diskussion um Mindestlöhne war für den scharfzüngigen Kabarettisten ebenso ein heißes Thema wie der deutsche Papst und die Kirche. Da konnte es einem schon mal die Sprache verschlagen, wenn Masuth trocken fragte „Ist Gott nicht schon längst aus der Kirche ausgetreten?“

Von den dicken Deutschen und den überfütterten Kindern war auch noch die Rede und am Ende „des ersten, allein rund 80 Minuten dauernden Teils seines Programms dachte Uli Masuth laut und sehr genau zielend über die Rechtsradikalen im Lande nach und im Raum breitete sich betroffene Stille aus.

Im zweiten Teil, der nach längerer Pause noch einmal eine Dreiviertelstunde dauerte, ging es dann um die Triebe. Von denen meinte Uli Masuth, sie brächten Schwung ins graue Leben, um gleich massive Seitenhiebe in Richtung amerikanischen Präsidenten und seinen Kriegspieler-Trieb auszuteilen. Auch der Trieb zur Selbstdarstellung einiger Politiker im Lande zähle zu dieser Art von Muntermachern. „Ohne Triebe macht das Leben eben nur halb so viel Spaß“, lautete Masuths Botschaft an dieser Stelle.

Zwischendurch nahm Uli Masuth auch am Flügel Platz, um den Zuhörern ein paar leicht swingenden Klängen, zu denen er allerdings ebenfalls Satirisches absonderte, kleine Verschnaufpausen zu gönnen. Er wollte ja, wie er bekannte, eigentlich Konzertpianist werden. Doch insgesamt hatten die Besucher in der bis auf den letzten Platz besetzten Peterskirche nur selten Gelegenheit, sich von den im unendlichen Wortstrom verbreitenden zynischen, zeitweilig geradezu bösartigen Ansichten eines unbezähmbar engagierten Zeitkritikers, der seine treffsicheren Pointen dennoch mit Charme zu servieren verstand, zu erholen.

Ein Kabarett-Abend, der es in sich hatte, war das und er erinnerte durchaus an die Epoche nach 1968 mit Agit-Prop-Theater und politischem Kabarett, deren Protagonisten respektlos und aufrührerisch gegen des Establishment zu Felde zogen. So etwas brauchten wir damals – oder heute schon wieder?

Vaihinger Zeitung

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