Zurück

Wahrheit ist, was man draus macht

Kabarettist Uli Masuth präsentierte im Theater im Schlosskeller sein aktuelles Programm „Und jetzt die gute Nachricht“

Nürtingen. „Verschon mein Haus, zünd andre an.“ Nicht zuletzt das Sankt-Florians-Prinzip im Denken und Handeln der Bürger geißelt Kabarettist Uli Masuth in seinem neuen Programm „Und jetzt die gute Nachricht“. Was es mit dieser auf sich hat und was eher nicht, eröffnete sich einem zahlreichen Publikum am Samstagabend während eines pointenreichen Auftritts des Wahl-Weimarers mit Piano im Theater im Schlosskeller.

Was ist Wahrheit und welche ist die richtige?
Der Kabarettist Uli Masuth hatte sich vermutlich schon vor seinem nunmehr dritten Auftritt im Schlosskeller am Samstagabend entschieden: „Natürlich die, die mein Publikum hören wiIl.“
Warum nur macht dieser Satz, diese Antwort, genauso misstrauisch wie der Titel seines neuen Programms? Darin steht – eben, man mag’s kaum glauben – etwas von einer „guten Nachricht“, die jetzt gleich komme.

Was ist das eigentlich, eine gute Nachricht?
Das kommt offenbar immer auf den Standpunkt des Betrachters an. Die FDP ist raus, die katholische Kirche drin. Aus der Politik die eine, in den Schlagzeilen die andere. Was den einen freut, ist des anderen Leid. Des Limburger Bischofs trautes Heim wird teuer, sehr teuer, doch erstens handelt es sich hier noch um Millionen, während das Ausmaß der europäischen Steuerhinterziehung bereits doppelt so viele Nullen hinter sich herzieht. Die gute Nachricht: Dort bekommen die Handwerker ihr Geld und das auch noch auf Rechnung. Das ist eben, weiß Masuth, etwas teurer, wenn der Fiskus seinen Teil abkriegt. Wo gibt’s das heute noch? Aber: Keine Witze heute Abend über Steuerhinterzieher. Man weiß schließlich nie, wen man vor sich hat. Ups?! Löhne bei Discount und Co: Wo’s nicht reicht, wird aufgestockt. Auf Kosten des Steuerzahlers, versteht sich. Wirklich? Auf jeden Fall hat der laut Masuth doch das Gefühl, dass ihm das gerade beim Discounter eingesparte Geld wieder aus der Tasche gefischt wird. Wo nämlich angemessene Löhne bezahlt werden, ist das Schnitzel teurer und – na ja, das Sankt-Florians-Prinzip eben: Man weiß schon was zu tun wäre, aber warum gerade ich?

Nicht dass UIi Masuth eine Lanze für Thilo Sarrazin brechen wollte, schließlich ist es ja schon fast ekelerregend, wenn dieser Sozialeugeniker die Bildungsfähigkeit junger Menschen mit Migrationshintergrund an genetischen Dispositionen festmacht. „Unter uns Intelligenzbegabten“ ist der Kabarettist ganz sicher, glaubt doch da keiner dran – es sei denn … na ja, irgendwo muss es unser eigener Nachwuchs ja herhaben.

Ein ökologisches Waffensystem, in Großbritannien entwickelt, für umweltfreundliche Lebensvernichtung. Agenda 2010 als erfolgreichste Exportware und die Erinnerung an Gerhard Schröder, der „als erster Kanzler beides zugleich war: altlinks und neoliberal“. Und der habe aus Deutschland einen Niedriglohnsektor gemacht. Und die gute Nachricht: Es wurde der beste in Europa.

Es ist eben immer eine Frage des Standpunkts, ob eine Nachricht nun gut oder schlecht, eine Wahrheit nun wahr ist oder die andere. Wichtig ist, wie sie rüberkommt. Setzt der Mann am Klavier nun sein sanftes Lächeln auf oder jenes, das irgendwie dämonisch wirkt? Uli Masuth steht ein ganzer Kasten mimischer Unterstreichungswerkzeuge zur Verfügung. Am besten ist er, wenn er mit jenen Fakten auftrumpft, die jeder wissen könnte, wenn er sich denn dafür interessieren würde, die aber in für die eingeschränkte Lesefähigkeit der Deutschen weniger zugänglichen Teilen der Tageszeitungen
stehen, um dann aus dem Hinterhalt, wie nebenbei, eine volle Breitseite auf das Desinteresse der Bürger an ihrer eigenen Situation als Staatsbürger abzuschießen.

Auf dem 17. Platz fänden sich die Deutschen gemessen an ihrer Lesefähigkeit wieder hinter Serbien, Tschechien und Litauen. Dafür entstünden dann neue Sprach- und Schriftformen, die eine verbreitete Decodierfähigkeit voraussetzten: „My Smmr hols wr cwot“ heißt entschlüsselt: My Summer Holidays were (a) complete Waste of Time (deutsch:,,Meine Sommerferien waren komplette Zeitverschwendung“) und stand am Anfang des Aufsatzes einer Schülerin, der offensichtlich die SMS-Kürzelsprache das Normalidiom schon völlig ersetzt. Dazu vielleicht noch Uli Masuths Lieblings-Türkenwitz. Fragt ein Berliner einen in Berlin lebenden Türken: „Wie komm‘ ick bei Aldi?“ Türke (verbessernd): „Zu Aldi“ Berliner (empört auf die Uhr schauend): „Was, jetzt schon?“

Von Heinz Böhler

Nürtinger Zeitung 22.10.2013

Zurück