Zurück

Glaube, Hoffnung und vor allem Triebe

Uli Masuth sorgte für einen kabarettistischen Höhepunkt im Jahreskalender des Kulturkellers

ETTENHEIM. Uli Masuth sorgte für einen kabarettistischen Höhepunkt im KKW-Jahreskalender Ettenheim. „Das stärkste aber sind die Triebe“. Okay, okay, der Apostel Paulus setzt in Wirklichkeit die Liebe an Stelle eins der wahren Tugenden neben Glaube und Hoffnung – aber Uli Masuth, der begnadete Kabarettist aus dem Duisburger Raum, kennt seine Pappenheimer, hat Siggi Freud aufmerksam studiert und wandelt die außer Mode gekommene Liebe mit einem sprachschöpferischen Akt kurzerhand ein bisschen um.

Und so plaudert er ungeniert, denkt laut für die Besucher. Dafür wird ein Kabarettist nach Masuths eigenen Worten schließlich bezahlt. „Ein Kabarettist ist ein Mensch ohne Illusionen“, klärt er seine Zuhörer auf- und teilt deren Desillusionierung. Und desillusioniert ist der gemeine Bundesbürger, über die Wirksamkeit der Gesundheits- oder Rentenreform, ob der Schlagkraft der fuß-ball-spielenden (Männer)Nationalmannschaft, in der Frage, ob die Kirche noch eine frohmachende Botschaft herüber zu bringen vermag.

Ein bibelfester Exmialstrant
Eine einzige ICE-Verspätung spielt schon wieder die monatliche Praxis-Gebühr ein, es bedarf des Rentenalters, um Karriere zu machen (Rehhagel, Rau, Schilly), noch nicht einmal ein „O du fröhliche» im Tango-Rhythmus oder der Erotik-Schmusesong Je t’aime“ vermag die Gottesdienst-Besucher aus dem Tiefschlaf zu wecken. In letzterem weiß Masuth, wovon er spricht „Bei Kirchens“ kennt er sich aus. Er war Ministrant, zeigt sich unglaublich bibelfest, schlägt heute noch die Kirchenorgel. Letzteres wird im immer wieder eingeflochtenen

Klavierspiel deutlich: „zum Absacken“, wie der Künstler erklärt, wenn seine Worte wortlos nachklingen müssen. Denn Masuth ist kein Kabarettist, der sich im Klamauk, im Kalauer genügt, er gibt zu denken, macht zu schaffen. Den Kohl-Parteikollegen ebenso wie den Genossen von der SPD. „SPD – ist Ihnen noch ein Begriff?“ vergewissert er sich, spielt auf deren aktuelle Talfahrt an. Aber auch die FDP, die Politik insgemein, bekommt ihr Fett ab: „Ich finde, viel mehr Politiker müssten Fallschirm springen“. Das ist grenzwertig. Doch der wahre Kabarettist scheut diese Grenzbereiche nicht.

Die „Unterhaltung“ bei der Bestattungsfeier bewegt sich im selben Bereich. Politisch ist er nicht festgelegt Er geißelt Westerwelles Selbstinszenierungstrieb (unter anderem bei der Wahl des Bundespräsidenten), auch der „Dicke“ bleibt nicht ungerupft, wobei Masuth „Rechtfertigung“ einleuchtet. Das C in besagter Partei leitet sich aus dem Griechischen Christus ab. Das aber heißt: der Gesalbte. Kein weiter Schritt als zum „Geschmierten“.

Das Publikum tobt ob solcher Logik. Das Publikum – es hat’s dem Meister angetan. Vor altem Frau D. in Reihe zwei lässt1 ihn, lässt er nicht mehr los. Aber auch den Herrn gegenüber. „Sie finden das Programm tatsächlich toll? Dann sagen Sie’s doch Ihrem Gesicht!“
Masuth ist informiert Er scheint alle Statistiken dieser Welt zu kennen. Was er auch kennt, sind die Warteschleifenmusiken von 96 Prozent aller deutschen Kommunen. Die findet er nämlich besser als das, was ihnen als Gespräch folgt Friedrich Merz, so weiß er, hat sieb für die Wartepause ein Flötenkonzert ausgesucht.

Hang zum Eigenlob mehr als berechtigt
„Passt doch zu der Pfeife“, befindet Masuth, dem es neben den Politikern hier zu Lande (von den USA ganz zu schweigen) auch andere Zielgruppen angetan haben: Urlauber und, wie könnte es anders sein, Lehrer!

Wenn er an diese denkt, ist seine im Tango-Kurs wiedererlangte Männlichkeit, sein Frohsinn dahin. Da bleibt ihm nur noch die Flucht in seine Klavier- kunst, die Flucht ins Des-Dur, zur eigen Schöpfung „Ein südfranzösisches Murmeltier träumt vom Fliegen.“ Die „kleine Elite“ im Gewölbekeller – Masuth spricht nie von wenigen Besuchern, sondern eben von der kleinen Elite – ist begeistert, kommt endlich so zum Klatschen, wie es der Künstler verdient Während des Programms kommt man schier nicht dazu, weil jedem Gag, jeder Pointe, die nächste unvermittelt folgt. Sein Hang zum Eigenlob, kabarettistisch verpackt, ist mehr als berechtigt.


VON UNSEREM MITARBEITER
KLAUS SCHABE

Ettenheimer Bote

Zurück