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Darf ich da noch lachen?

Wo fängt man als Kabarettist heutzutage an, wo doch manche Pointe über Nacht zur Realität wird?
So sinnierte Uli Masuth zu Beginn seines Programms am Donnerstagabend bei den Leutkircher Kleinkunsttagen im Bocksaal.
Nun, der gebürtige Duisburger und mittlerweile Wahl-Weimarer kam einfach gleich zur Sache – und bescherte seinem recht überschaubaren Publikum einen vergnüglichen Abend, in dessen Verlauf einem oft das Lachen im Halse stecken blieb und der Besucher gar nicht wusste:
Darf ich da noch lachen?
Klatschen gar?
Denn Masuth setzt in weiten Teilen seines Programms auf eines: Fakten. Oft auf solche, die unsereinem im täglichen Wust der Nachrichten entgehen. Uli Masuths Aussagen bewegen sich oft an der Grenze dessen, was ein Kabarettist öffentlich sagen darf.
Ein harmloses Beispiel: Bei einer Übernachtung in einem Hotel werden sieben Prozent Mehrwertsteuer fällig. Bei einem Stundenhotel 19 Prozent. Warum? Weil im Stundenhotel die Hauptleistung ja nicht das Schlafen ist. Was passiert aber, fragt Masuth, wenn Mann nach der Hauptleistung einschläft? Oder gar währenddessen? Ein weniger harmloses Beispiel: Bis 2030 soll es laut Demografen drei Millionen Deutsche weniger geben. Derzeit gibt es etwa drei Millionen Arbeitslose. „Wenn jetzt noch die richtigen sterben …“, sinniert Masuth, „haben wir
Vollbeschäftigung.“
Darf ich da noch lachen?
Klatschen gar?
In diesem Zwiespalt steckt der Besucher auch, wenn er sich selbst ertappt fühlt. Schlecker- erkäuferinnen zu Kita-Erzieherinnen umschulen? Für Masuth eine Schnapsidee. „Wir brauchen auch mehr Automechaniker. Aber bei einer Umschulung von Schlecker-Frauen zu Automechanikern wäre der Aufschrei sicher groß gewesen. Da wäre es ja auch um Autos gegangen.“
Kann ich da noch lachen?
Klatschen gar?
Bei Masuth bekommen viele ihr sprichwörtliches Fett ab. Die Parteien, die „Bankster“, die Rentner, die Ostdeutschen, die Bundeswehr, Mann und Frau, die Katholische Kirche, die Moslems.
Oft muss man genau hinhören, um die Pointe zu
erkennen. Der Verfassungsschutz brauche vielleicht einen zusätzlichen Schutz, so Masuth, einen
Verfassungsschutzschutz: „Einer, der nach den Rechten schaut.“
Bei Neonazis hört für Masuth aber der Spaß auf. Und seine Aussagen bewegen sich an der Grenze dessen, was auch ein Kabarettist öffentlich sagen darf. In Ostdeutschland sei kürzlich ein Neonazi an einem Hirnschlag gestorben. „Das hat mich gewundert, ich wusste nicht, dass das bei denen geht. Aber es dürfte ruhig öfter passieren.“
Darf ich da noch lachen?
Klatschen gar?
Erst im letzten Teil seines Programms wird Masuth weniger schwarz und erzählt von Beziehungsproblemen, Tango-Kursen und Kindern, die auch mit Mitte 20 die Pubertät scheinbar noch nicht überstanden haben.
Mittlerweile ist der Besucher aber so auf bösen Witz geeicht, dass er noch aufs dicke Ende wartet, wenn die Pointe schon gekommen ist. Darf ich jetzt schon lachen und klatschen? Oder kommt da noch was?
Erst ganz am Ende gab’s schließlich doch noch den überaus verdienten Beifall für Masuth. Wer schwarzen bis tiefschwarzen Humor liebt, der war im Bocksaal genau richtig.
Und wer den „Ossi mit westdeutschem
Migrationshintergrund“ noch einmal so oder so ähnlich erleben will: Uli Masuth kommt wieder,
am 22. Dezember gastiert er im Gasthof Adler in Dietmanns.

Von Steffen Lang

Schwäbische Zeitung/ Leutkirch 15.10.2012

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